Anna Bauer // Katze und Krieg: Wenn die Sonne untergeht (Aktion vom 06.05.2011)

by admin on Juni 20, 2011

Die Performance begann in der Galerie einRaum in der Braunschweiger Innenstadt.

In diesem fast leeren Raum hing an einer Wand ein Spiegel, um den herum mehrere Gegenstände angebracht waren. Dabei handelte es sich hauptsächlich um Kosmetikprodukte, mit denen sich die beiden Performerinnen nacheinander zu schminken begannen. Dann nahmen sie je ein Mikrofon von der Wand, welches sie an ihrem Körper befestigten, damit die Zuschauer, denen zuvor Kopfhörer ausgeteilt worden waren, im Laufe des Abends alles gut mithören könnten.

Wann der genaue Anfangspunkt der Aktion gewesen war, ließ sich nur schwer erkennen, da die bisher beschriebenen Tätigkeiten recht beiläufig von statten gingen. So schminkte sich eine der beiden schon, während gleichzeitig noch Zuschauer herein gelassen wurden. Der Akt des Schminkens könnte also auch nur eine Vorbereitung gewesen sein, der allerdings bereits nach offiziellem Beginn der Veranstaltung (angekündigt um 20.51 Uhr) geschah.

Als nächstes ging eine der beiden hinaus. Der digitale Wecker, der auf dem Fensterbrett stand, zeigte nun genau 21 Uhr an. Die Performerin nahm die kugelförmige, orange leuchtende Lampe, die vor dem Schaufenster der Galerie hing, aus ihrer Halterung. Mit beiden Händen hielt sie die leuchtende Kugel über ihren Kopf und führte sie in einem langsamen Bogen nach unten. Vom Boden her wurde sie dabei zunehmend von rotem Licht angestrahlt. Ein symbolischer Sonnenuntergang, kurz nachdem die Sonne tatsächlich untergegangen war.

Schließlich ging die Akteurin wieder hinein. Nachdem sich dann beide noch einmal ihrer Mikrofone versichert hatten, verließen sie mit den Zuschauern im Schlepptau den Galerieraum.

Sie schlenderten vorbei an verschiedenen Straßencafés, blieben dann vor den Tischen stehen und überlegten laut, dass sie sich zu den dort sitzenden Männern gesellen könnten. Ohne etwas getan zu haben, setzten sie ihren Gang nach kurzer Verweildauer allerdings fort. Vor einem Möbelgeschäft machten sie erneut kurz Halt. Sie dachten darüber nach, dort hineinzugehen, was sie schließlich ebenfalls bleiben ließen.

Auffällig bei diesen kurzen Dialogen war das Wort „könnten“, da die Performerinnen es in jeder ihrer Formulierungen betont benutzten. Ihre Überlegungen schienen so eher hypothetisch zu sein, auch da sie keinerlei Anstalten machten, ihre Ideen in die Tat umzusetzen. Der Eindruck, dass es sich um rein theoretische Pläne handelte, sollte sich nun im Anschluss jedoch ändern.

Nachdem sie sich nämlich überlegt hatten, dass sie vom Eis eines Passanten schlecken könnten, fragten sie einen vorbeikommenden Jungen nun tatsächlich danach. Dieser verneinte jedoch die Bitte. Dann gingen sie weiter, bis sie unter einem offenen Fenster abermals zum Stehen kamen. Sie entschieden, dass sie der dort wohnenden Person Eis bringen würden. Um das dafür nötige Geld zu verdienen, beschlossen sie, den Gästen eines Cafés ein Lied vorzusingen. Sie stellten sich auf zwei Stühle und improvisierten ein Lied über Eis, wofür sie letztlich drei Euro und einen sauren Apfelring erhielten. Sie versuchten diesen Apfelring gegen 10 Eiskugeln zu tauschen und boten den Angestellten zudem ihre übrigen Einnahmen als Trinkgeld an. Nach einiger sprachlicher Verwirrung (die Angestellten sprachen nur gebrochen Deutsch) und einem erfolglosen Telefonat mit dem Vorgesetzten kam der Tausch allerdings nicht zustande.

Die Performerinnen gingen weiter durch die Fußgängerzone und überlegten dabei, was sie verbessern könnten, um bei einer zweiten Aufführung mehr Geld einzunehmen. Sie gingen zu einer Gruppe junger Erwachsener, die an einem der Außentische eines Asia-Restaurants saß, und fragten dort nach Tipps. Nach längerem Gespräch mit der recht aufgedrehten Truppe, hatten sie sich ein paar Bewegungsabläufe und Sprechparts abgeschaut, die sie zu einer kurzen „Show“ zusammenfügten und diese noch ein paarmal probten. Sie gingen weiter zum nächsten Eiscafé, wo sie ihre Aufführung für 10 Kugeln Eis anboten. Der Ladenbesitzer willigte unter der Bedingung, die Show auf drei Minuten auszudehnen, ein. Die Performerinnen führten also ihr Einstudiertes mehrmals hintereinander auf, bis der Besitzer zufrieden war. Sie erhielten ihr Eis. Jeder suchte sich fünf Eissorten der Farbe nach aus und ließ es sie sich in die aufgehaltenen Hände geben. Dann machten sie sich auf den Weg zurück zu der Wohnung mit dem geöffneten Fenster.

Unterwegs boten sie verschiedenen Menschen an, von dem Eis zu lecken, sowohl Passanten, als auch den Gästen von Straßencafés. Außerdem betraten sie den Innenraum einer Kneipe, wohin ihnen jedoch niemand aus dem Publikum folgte.

Schließlich waren sie an ihrem Zielort angelangt und klingelten. Es wurde geöffnet und sie gelangten über einen Innenhof und durch ein Treppenhaus in den ersten Stock des Hauses. Die Zuschauer, die sich im Laufe des zügigen Rückwegs durch die Fußgängerzone bereits recht verstreut hatten, teilten sich nun noch weiter auf. Ein paar blieben vor dem Tor des Innenhofs stehen, der Rest ging noch mit bis zum eigentlichen Hauseingang und nur noch wenige folgten mit ins Treppenhaus. Die Performerinnen wurden von den Besitzern der Wohnung hereingelassen. Über die Kopfhörer konnte man verfolgen, dass sie ihr Eis in eine Schüssel deponierten und sich die Hände wuschen. Der Teil des Publikums, der mit ins Treppenhaus gekommen war, wartete zunächst vor der offenstehenden Wohnungstür. Dann kam die Besitzerin der Wohnung zur Tür und bat die dort stehenden Personen ebenfalls herein. (So ging auch ich hinein.) Die Performerinnen hatten am Wohnzimmertisch Platz genommen und aßen ihr mitgebrachtes Eis. Auch die Zuschauer wurden aufgefordert, sich zu setzten und zu essen. Als das Meiste verzehrt war, überlegten sich die Akteurinnen, wie sie nun die restlichen Kugeln zu dem unten wartenden Teil des Publikums bringen könnten. Sie beschlossen, es durch das offene Fenster in den Mund der Zuschauer zu werfen, was wohl beim dritten Versuch auch gelang. Dann verabschiedete man sich von den Gastgebern und verließ die Wohnung.

Anschließend gingen die Performerinnen noch einmal den Weg ab, den sie bereits zuvor zurückgelegt hatten. Dabei machten sie mehrmalig an bestimmten Punkten kurze Stopps. Ein solcher Punkt war zum Beispiel das Café, wo das Lied gesungen und von den Gästen etwas Geld eingenommen worden war. Oder auch das Asia-Restaurant, vor dem noch immer die Gruppe saß, bei der sich die beiden Inspiration für ihre zweite Show geholt hatten. Sie blieben jeweils kurz stehen und blickten stumm auf diejenigen Orte, an denen sie mit den verschiedenen Personen agiert hatten – nun aber ohne etwas zu sagen oder zu tun – und gingen nach diesem kurzen Innehalten weiter. Dies wirkte so, als ob sie das, was sie vorhin getan hatten, rekapitulierten, die Aktion geistig noch ein zweites Mal wiederholten. Danach gingen sie zügig in die Galerie zurück.

Dort angekommen, schminkten sich beide vor dem Spiegel ab und setzten mit einer Verbeugung der Performance ein Ende.

Anna Bauer