Tatjana Szalkau // Nadia Salom: Ohne Titel

by admin on Juli 26, 2011

Eine Gruppe von Studenten findet sich im Rahmen eines Seminars zusammen. Die folgende Performance basiert auf dem Medium der Schrift. Ein angeschlossener Computer dient zur Sichtbarmachung für die Seminarteilnehmer.

Der blinkende  Cursor  des Schreibprogramms ist zunächst das Einzige, was an der Wand zu beobachten ist.

Das erste Wort erscheint.

Die Performance von Nadja Salom am 2. Mai 2011 beginnt mit dem Wort „Subjektivität“. Hervorgegangen ist dieser Begriff aus der vorherigen Diskussion im Rahmen des Seminars. Nach und nach richten sich die Blicke auf das Geschriebene.

Stille kehrt ein.

Es erfolgt eine Klarstellung der Situation. Die, für die Performance im Raum installierte, Kamera sei außer Betrieb. Der intime Rahmen des Seminars bleibt somit bewahrt. Die Performerin ruft daher schriftlich dazu auf, Fotos zu machen, jedoch bleiben die Seminarteilnehmer still, niemand zückt eine Kamera oder sein Mobiltelefon. „Warum nicht?“ bleibt hier zu fragen. Es scheint, als wolle niemand die Performerin unterbrechen, als wolle man den Respekt wahren.

Nadja beginnt die Atmosphäre zu beschreiben. Die Situation in Raum 305 ist ruhig. Die Seminarteilnehmer folgen ihrer schriftlichen Rede an der Wand gespannt. Sie beginnt dann, sich vorzustellen und entschuldigt sich dafür, dass sie in englischer Sprache schreibt.
Nachdem sie danach gefragt hat, ob jemand der Teilnehmer an einem Seminar von Ronald Berg teilgenommen hat, in welchem sie bereits eine ähnliche Performance durchführte, die Zuschauer dies jedoch mit Kopfschütteln verneinen, macht sie darauf aufmerksam, dass während der Performance gesprochen werden darf. Durch die von ihr erzeugte stille Atmosphäre scheint dies nicht selbstverständlich zu sein.

Eine Person aus dem Publikum fragt, ob Nadja diese Performance im Seminar von Ronald Berg schon einmal durchgeführt hat. Sie beantwortet die Frage mit „ja“ und wird nach den Reaktionen in dieser vergangenen Performance gefragt. Der Aufruf zum Sprechen erzeugte in beiden Performances die gleiche Reaktion: Niemand spricht.

Das Tippen wird nun etwas schneller. Nadja fragt sich, was die Teilnehmer in diesem Augenblick denken und erzählt etwas über die Vorbereitung zu der Performance, nämlich, dass diese Performance nicht vorbereitet ist. Sie zielt auf die Atmosphäre und die Aktionen der Teilnehmer ab.
Nadja beginnt über ihre Kindheit zu schreiben. Sie erzählt, wie sie nach der Schule auf ihre Mutter wartete und dass sie eines Tages vielleicht über ihr Leben schreiben würde.
„So where are we now?“

Dieser Satz holt mich zurück in diesen Raum und weg von den Gedanken über Nadjas Vergangenheit.

Wer etwas schreiben möchte, kann dies nun tun. Eine Teilnehmerin schreibt etwas. Ein nächster Teilnehmer fragt nach Nadias Herkunft, woraufhin sie weiter über sich erzählt. Mir scheint, als würde sich die Situation auflockern, die Stille ist spätestens an dieser Stelle durchbrochen.

Sie bittet erneut darum, dass jemand die Performance dokumentiert, da der schriftliche Verlauf nach der Performance keine Bedeutung für sie hat und fragt, ob noch jemand etwas zu sagen hat. Da dem nicht so ist, erklärt sie die Performance für beendet.

Trotz der erneuten Aufforderung der Dokumentierung bleibt dies ungeschehen.

Das Ende der Performance unterscheidet sich vom Ende der Performance im Seminar Ronald Bergs. Diese Performance blieb ohne jegliche Teilnahme.  Der Aufbau ähnelte sich. Nadja schrieb ebenfalls über  ihre Vergangenheit, sie forderte ihre Zuschauer ebenfalls zur Teilnahme auf. Niemand durchbrach die quälende Stille und fragte etwas, so blieb sie die alleinige Akteurin.
Die Atmosphäre war gleichsam ruhig, dennoch bedrückender. Außer den Regentropfen war  nichts zu hören, da sich niemand bewegte oder sprach.

Die Kamera funktionierte jedoch in Herrn Bergs Seminar und das Geschehen wurde aufgezeichnet.  War dies vielleicht der Grund, warum niemand agierte? War es die Angst, sich nicht in englischer Sprache angemessen ausdrücken zu können? Oder eine Peinlichkeit aus der Menge hervorzustechen, indem man aufsteht und an der Performance  teilnimmt? Diese Fragen bleiben ungeklärt.