Christina Zais // Anna Berndtson – Matters of the heart ( 21.05.2011)

by admin on Juni 22, 2011

Eine Frau, so gut wie nackt, nur mit einer Schürze bekleidet. Das ist das Erste was ich wahrnehme. Ein ernstes Gesicht mit einem starren Blick, keine Bewegung, kein Zucken, keine Emotion. Sie steht einfach nur da. Es kommt mir wie eine Ewigkeit vor. Die Zuschauer mustern sie skeptisch. Ein Raunen macht sich breit und füllt den Raum.

Was hat sie vor?

„Matters of the heart“ ist der Titel der Performance, den ich zuvor in dem Begleitheft gelesen habe. „Heart“ bedeutet „Herz“, „Herz“, sowas wie Gefühl, Leidenschaft, Leben. Doch was Anna Berndtson verkörpert, ist alles andere als herzlich und lebendig, zumindest auf den ersten Blick. Ihre langen, glatten  Haare hängen stumpf herunter, ihre blasse Haut färbt sich leicht blau, ihr Blick ist reglos, kalt, tot.

Es passiert nichts. Soll überhaupt etwas passieren? Die Performerin verrät uns diesbezüglich nichts, sie bewegt sich nicht, gibt den Zuschauern kein Zeichen. Allmählich bin ich es leid zu warten. Ich schaue mich um.

Vor ihr ist ein schmaler, aber recht hoher Servierwagen aufgebaut. Es liegt ein großes und robustes Holzschneidebrett darauf, rechts daneben ein Fleischklopfer. Auf dem Boden, links neben ihr, steht ein roter Eimer, gefüllt mit zig Herzen, echten, frischen Herzen. Der erste Bezug zum Titel.

Für einen kurzen Augenblick schweifen die Blicke in eine andere Richtung. Es ertönen Stimmen. Die Blicke wandern quer durch den Raum. Einige Herren begrüßen die Zuschauer, halten hintereinander kurze Reden und Danksagungen und eröffnen die BS.Visite 2011.

Dann, nach langem Warten, rührt sie sich, wenn auch sehr langsam. Die Performerin nimmt zuerst den Fleischklopfer in die Hand, schaut ihn an. Ihr Blick wandert zum Eimer, dann in die Menge. Erwartet sie eine bestimmte Reaktion von uns? Erwarten wir eine bestimmte Reaktion von ihr? Ihr Blick ist starr, wie schon die ganze Zeit. Irgendwie tot. Sie senkt ihren Körper, greift in den Eimer. Sie nimmt sich ein Herz, legt es auf das Holzbrett, schaut es an, schaut die Zuschauer an. Langsam wird mir klar, was sie vorhat. Sie positioniert das Herz, wendet es hin und her, bis sie den Fleischklopfer ergreift und auf das Herz einschlägt. Erst langsam, dann schneller, noch schneller, aber nie besessen. Wie ich den Zuschauerblicken entnehmen kann, sind sie schockiert, aber auch neugierig. Einige Augen weiten sich, einige Münder öffnen sich. Ich erwische auch mich dabei, schließlich wird man nicht täglich mit einer solchen Situation konfrontiert.

Bum, bum, bum, bubum, bubum, bubum. Das Herz, ein Zeichen der Lebendigkeit, des Daseins wird vernichtet, geplättet, zerfetzt durch die Kraft eines Menschen, der selbst ein Herz in sich trägt. Sie tötet das Herz. Bum, bum, bubum, mit einem typischen Herzschlagrhythmus. Ich nehme plötzlich meinen eigenen Herzschlag deutlich wahr, deutlicher als noch einige Sekunden zuvor.

Bum, bum, bubum. Platsch. Das Herz liegt auf dem Boden. Abfall, Reste, ein zerstörter Muskel. Ekel macht sich breit.

Sie nimmt ein neues Herz aus dem Eimer, und wieder eins und wieder eins. Nacheinander löst sie die Herzen in ihre Bestandteile auf, bum,bum,bum. Schmeißt sie auf den Boden, platsch.

Herzlosigkeit, Ekel und Angst trifft auf Empörung und nachdenkliche Gesichter. Gefühle sind vergänglich, wechseln, sind austauschbar. Doch was bleibt ist der Herzschlag, eine Melodie, die einen bis zum Tod begleitet. Bum,bum,bubum…